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von Ulrich Müller // Foto: Ingo Wagner
Für Abschiedsstimmung blieb gestern Abend keine Zeit, nach einem entspannten Beginn zog der Tag nach der letzten Besprechung im runden Zelt noch einmal mächtig an. Am Horizont schon der Abbau, auf der Liste der bis dahin noch zu erledigenden Dinge eine Vorstellung, Gespräche mit Zeitzeugen und zwei Fernsehteams. Am Ende des Tages waren alle erschöpft und durch und durch müde, die Energieanzeige des Teams stand weit unter Null.
Zuvor noch einmal höchste Konzentration auf den Wagons, wo der Efori-Chor noch besser als im ersten Durchlauf mitspielte. Dafür klemmte zu Beginn die Wagentür und ließ sich von innen beim besten Willen nicht weiter aufschieben – Jeroen konnte den Fehler während seiner Kletterpartie endlich glücklich beheben. Ansonsten lief die Aufführung glatt über die Bühne, und erneut fühlten sich danach rund 80 Zuschauer nicht nur bestens unterhalten, sondern zugleich tief berührt. Im Anschluss mussten der Chor und die Schauspieler noch eine Sonderschicht einschieben, denn das 3sat-Fernsehteam war erneut aus Tel Aviv angereist. Und während die Kollegen vom lokalen israelischen Sender im Zeltlager sogar den Abwasch gefilmt hatten, wünschte der Kultursender das Nachstellen einiger Szenen.
Zeitgleich liefen in einer der Baracken ein Zeitzeugen-Interview, in der Lobby angeregte Gespräche – alle waren nach wie vor gut beschäftigt. Liron Eckerstein berichtete von den Mails, die nach der ersten Aufführung im Museum Camp Atlit eingetroffen waren. „Dieser Abend war einer der schönsten, die ich in den letzten Jahren erlebt habe“, schrieb etwa ein Israeli, der die „Exodus“-Geschichte noch aus eigener Erfahrung kennt. Ein anderer Mann teilte mit, dass er in Marseille auf dem Schiff geboren wurde – auch bei ihm hatte das Stück einen tiefen Eindruck hinterlassen. Eine andere Gruppe hatte sich um einen Israeli versammelt, der von der Explosion auf einem der Gefängnisschiffe erzählte. „4500 Menschen, 4500 Geschichten“, heißt es in der Inszenierung.
Besonders rührend fiel der Abschied vom Efroni-Chor aus, es gab herzliche Umarmungen und viele Fotos mit den Schauspielern und dem Produktionsteam. Ein Dankesbrief drückt die Begeisterung der Mädchen und Jungen aus, und da sie von den Eltern geteilt wird, überlegt man mittlerweile auf beiden Seiten ganz konkret, wie sich die Zusammenarbeit in Deutschland fortsetzen ließe. Ein Umdenken hat Das Letzte Kleinod zudem bei den israelischen Offiziellen des Camps Atlit bewirkt, denn während diese dem Projekt anfangs skeptisch und mit aller verständlichen Vorsicht gegenüberstanden, wollen sie ähnlichen Anfragen nun offener begegnen. Der Abschied war auch hier herzlich und wurde mit arabischem Gebäck zusätzlich versüßt.
Heute morgen kehrte dann deutsche Disziplin zurück: Um 7.30 Uhr Frühstück, um 8 Uhr Beginn des Abbaus, aber zack, zack. Schließlich möchte man gegen Mittag noch an den Strand, bevor sich die Gruppe in alle Winde verstreut. Vorerst, denn in Emden gibt es ja ein Wiedersehen. Neben der israelischen Sonne wird dann allerdings Michals Küche fehlen. Aber zum Glück gibt es ja die Erinnerung…